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Die
Kleemannsche
Kolumne

INNIGKEIT EINER SEITENSTRASSE

Von der einen Leserin meiner Kolumne, die nicht meine Mutter ist, bin ich dringlich gemahnt worden, mich doch wieder stärker dem Thema „Großstadt“ zu verpflichten. Das fällt gerade in Berlin doch eher schwer, denn Berlin vermag vieles zu sein: pariserisch in der Uhlandstraße, alla New York entlang der Friedrichstraße, aber eben stets nur ein paar hundert Meter lang, dann wird die Stadt wieder ein bebautes Mittelding aus Performance und Architekturstudium, solange zumindest, bis die nächsten hundert Meter Weltstadt anfangen.

Danach ist mir allerdings gerade gar nicht, denn ich bin melancholischer Stimmung seit einer meiner letzten Kolumnen, die ja die Stadt mit den Augen eines Liebenden zu sehen trachtet. Nun, ich bin keiner, obwohl ich es zweifelsohne einmal sehr gewesen bin – ein Liebender. Doch die Baudenkmäler großer Gefühle waren in jenem Falle kleinere, der Welt unbedeutendere, gewesen, so ein Kiosk am Rathaus Neukölln, bei dem sie mich lehrte, dass es möglich ist, eine einzelne Zigarette zu kaufen (wie verwegen sie das in meinen Augen gemacht hatte) oder eine Mischung aus Kino und Bar, die bewies, dass im Himmel nicht unbedingt frisch gewischt sein muss und in dem sie mir erst Blumen und ein paar Tage später Zwetschgen schenkte – was mich beides ebenso sehr erfreute wie verwunderte.

Jedoch, das schönste war ihre seltsam leere, in allem spontan wirkende Wohnung, die in einem Gebäude untergebracht war, in dem ich mich mehrmals ausgiebig verlaufen habe (die billigen Schicksalsauguren werden quäken: Omen, Omen!), und das leicht als eines der hässlichsten in ganz Berlin bezeichnet werden darf. Ich habe ihn einmal sehr geliebt, diesen sonderbar verschachtelten Kasten, wie ich zu jener Zeit an ihrer Seite manches geliebt habe, das sich meinem Verständnis heute entzieht.

Und da ich jetzt schon ganz und gar melancholisch bin, wird Sie wohl auch abschließend ein Gedicht aus meiner Feder kaum schrecken. Sie werden hoffentlich darüber lachen, aber dennoch bedenken, dass ich dieses eine Mal die Ehrlichkeit der Gefühle nicht zugunsten einer Pointe geopfert habe – beides war schon da, hat sie mir einstmals mitgegeben, in der Leinestraße.

LEINESTRASSE

Wie die Leinestrasse

ist sonst keine Straße,

so wohlvertraut,

doch nicht zu klein,

fast unverbaut

und beinah fein.

 

Das ist natürlich Schwindel,

doch lebte einst ein schönes Kindel

gerade eben dort

und nun, nun ist sie fort.

 

Da helfen keine Tränen,

es bleibt ein vages Sehnen

nach ihr und nach der Leinestrasse.

Ach, kämst du nur zurück, mein Hase!

 

Von uns genötigt, den Versuch einer kleinen Vita zu wagen, beschreibt Kleemann sich wie folgt.

Hans Kleemann, geboren am 25. VIII. 1995 in Dinkelsbühl, hat nichts gelernt und nichts abgeschlossen, denn er glaubt zu wissen, was er wirklich kann: Chansons komponieren und kleine, feine Kolumnen, Gedichte und Kurzromane zu schreiben. Wenn das Eine nicht funktioniert, dann hofft er auf das Andere, das wechselt wochenweise und darum kann ihn auch
Corona nicht unterkriegen: Er hat im Zweifelsfall gute Nachlassverwalter. Im Übrigen nimmt er sich gar nicht derart ernst, wie man meinen mag und tut sogar mitunter so, als besäße er Selbstironie. Man sieht: Er muss Künstler sein, andernfalls wäre er ein Fall für genauere Untersuchungen.

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