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DAS SCHÖNE UND DAS SCHAURIGE

Vorbemerkung

Unlängst zerbrach mal wieder eine jahrzehntelange Freundschaft – nun gut, das kommt vor. Aber eines traf mich bei diesem finalen Zerwürfnis doch: der Vorwurf, ich lasse einzig und allein das gelten, was ich für gut, wahr und schön halte. Da solle ich einmal darüber nachdenken. Dies tuend kam ich zu folgendem Ergebnis: es stimmt, allerdings zurecht. Darum (und weil Frau Steinlechner eine so geduldige Freundin ist) entstand die Idee zu dieser neuen Reihe. Nachdem Ihnen, verehrte Leser, schon meine Kolumnen und Alltagsminiaturen gleichgültig waren, haben Sie nun Gelegenheit, mich auch von meiner zweifelhaftesten, vielleicht unterhaltsamsten Seite zu ignorieren: der des Geschmacksflaneurs. Es wird, zumindest kulturell, um urbi et orbi gehen, um Literatur, Musik, Film, mitunter auch Malerei, Restaurants und Essen in jedem Falle und generell um das, was der Tag mir eben zuträgt – Schönes und Schauriges.

Das Schaurige

Wir wollen, in Umkehrung des Titels, mit dem Schaurigen beginnen, um uns danach wenigstens ein bisschen trösten zu können, denn würde man den neuen Ingeborg-Bachmann-Film allein für sich betrachten, es wäre da nichts wie lauter Untröstlichkeit.

Mir persönlich war Frau von Trotta ja schon immer wurscht (womit sie sicher leben kann), aber ich hatte auch nichts gegen sie. Der Rosa-Luxemburg-Film, beispielsweise, wäre in Fassbinders Realisierung sicher noch um ein gut Stück unerträglicher geworden. So blieb es, gottlob, bei einer bloßen Gefühligkeitslektion in Sachen totalitären Denkens. Man musste also keineswegs von vornherein gegen diesen Film sein, den ich, schon allein der Bachmann wegen, sogar eher gut finden wollte. Allein, es war mir armen Seele nicht vergönnt!

Das beginnt schon gleich mit dem einen, leider einzigen, Gesichtsausdruck, zu dem Frau Krieps, in der der Rolle der Bachmann, fähig ist. Anfangs hatte ich den Verdacht, der solle die von der Schriftstellerin gern und häufig genommenen Sedativa versinnbildlichen, aber Frau Krieps schaut auch sediert, wenn sie angeblich lustig ist, wenn sie angeblich sexuell animiert ist, wenn sie leibhaftig in Cafés sitzt oder auf ein weißes Blatt Papier stiert und eben generell das tut, was Frau von Trotta denkt, dass es Frau Bachmann weiland getan hat: telefonieren, Reden halten, sich im Sand eingraben lassen, junge Männer anfallen (allerdings denkbar unmotiviert), etc. … Nur wenn Frau von Trotta Frau Bachmann schreien lässt (und sie schreit mehr als sie schreibt) ändert sich die Gesichtslage der Frau Krieps: Sie presst die Augen ein bisschen heraus und macht einen sehr großen Mund. Was freilich aus diesem Mund herauskommt ist so oder so von derartiger Nichtigkeit, dass man bloß deshalb nicht laut auflacht, weil man zu angeödet ist, um sich lebendig zu wehren. Meine persönlichen Glanzlichter: „Möchten Sie Zucker?“ (was zu meinen größten Bedauern nie beantwortet wird) – „Ach, ich finde es herrlich! Diese Gefahr!“, während sie eher gelangweilt, jedenfalls langweilig auf einem Dünerl in der Wüste hockt und ein bisschen ausschaut, wie die Queen en familie – und, der Gipfel des Ganzen, ein ungeheurer Satz: „Ich möchte ein Kamel reiten“.

Gerne wüsste man allerdings, was Frau von Trotta (immerhin eine Frau von Stand) geritten hat. Übrigens ist die Bachmannfigur (vulgo: Pappkameradin) mitnichten die einzige, die dummes Zeug reden muss, man denke an den neuerdings ostberlinernden Herrn Frisch: „Koch mir lieber Essen, anstatt Blumen zu koofn“. So ein böser Mann, aber sehr subtil dargestellt, fast so subtil wie die ganz hölzern ausgestanzte Eifersucht auf Knopfdruck: „Wer war das?!“ Das möchte man, gerade bezüglich des Drehbuchs, auch gar zu gerne wissen!

Ich könnte jetzt endlos weiter den Kopf schütteln, aber ich gebe zu, dass mir dafür die Kraft fehlt, denn dieser Film laugt einen unendlich aus, was auch an den sinnlos ewigen Einstellungen liegt: Max Frisch geht die Treppe hinauf, Max Frisch geht die Trepper herunter.

Das Resultat: Frau Bachmann bleibt untröstlich (zumindest im Film) und ich bin es auch – allerdings möchte ich deshalb noch lange nicht in die Wüste und schon gleich gar kein Kamel reiten.

PS: Im Übrigen hatte die wirkliche Ingeborg Bachmann mehr Frisuren, als ihre Darstellerin Gesichtsausdrücke, aber selbst frisurentechnisch bleibt´s im Film bei einer…

Das Schöne

Das Schöne bleibt quasi literarisch, nämlich ganz Jane Bowles Motto verpflichtet: Einfache Freuden. Denn was tut man, wenn man den Bachmannfilm durchlitten hat und gegen zehn Uhr abends noch Hunger auf etwas Kleines und Sehnsucht nach etwas Schönem hat? Man geht ins Literaturhauscafé in der Fasanenstraße, bestellt eine Dose Ölsardinen und einen einfachen, aber vorzüglichen Veltliner, lässt den Lieben Gott einen guten Mann, seine Begleitung eine echte Dame und die Kellnerin eine heimlich Geliebte sein und ist´s zufrieden und hat sein Teil. Solange jedenfalls, bis man, mit dem allercharmantesten Lächeln, herausgefegt wird.

Kleemannsche Vita

Von uns genötigt, den Versuch einer kleinen Vita zu wagen, beschreibt Kleemann sich wie folgt.

Hans Kleemann, wurde 1995 in Dinkelsbühl geboren und zwar am selben Tag wie Hölderlin und der verrückte König Ludwig – es mag wohl daran liegen, dass er erst die Flucht und dann die Leier ergriff. Seitdem schreibt, dichtet und komponiert er in Berlin, was zwar einstweilen keiner lesen und hören mag, aber er tröstet sich unterdess:dank guter Gene und der Pharmaindustrie wird er im Zweifel auch seinen Nachruhm noch erleben. Fürchten wir das Beste.

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