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Von Listen und vom Schreiben

Jetzt wollte ich es endlich mit einer dieser Listen probieren. Weil Listen auf Blogs gut ankommen. Weil Listen Übersicht schaffen. Weil…  Ich gebe auf. Ich liebe Listen, aber ich befürchte, ich bin nicht dafür geboren, sie zu schreiben. Da ist ein Wort und dieses Wort erzeugt neue Worte, wie jetzt. Weil Worte schnell sind, sich auftürmen und zum Kunstwerk werden, das zugunsten eines anderen wieder weichen kann und Beiwerk mit sich bringt. Nochmal neu. Da ist also ein Wort, das andere Wortgruppen um sich schart und wer jetzt denkt, das ginge geordnet, dem sei mein Glückwunsch ausgesprochen. Bei mir geht es genauso nicht, heute jedenfalls nicht. Was morgen ist, steht in den Sternen. Ich will nichts in Stein meißeln. Ich sagte ja schon: Ich liebe Listen. Bei mir zerfasern sie, weil sich da Anhänge bilden und Schlangen, weil vereinzelt eine Betonung gesetzt werden will, die nur im Zusammenhang mit anderen funktioniert. Weil jetzt Nacht ist und ich eine Schreibende bin, die die Ruhe liebt. Weil der Sturm folgen wird und ich das Unwetter nur in der Stille herankommen höre.

Das Schreiben funktioniert – bei mir jedenfalls – nicht geordnet. Ich will ihm gar nicht Herr oder Frau werden. Ich will um die Worte nicht kämpfen. Sie kommen aus einem Nirgendwo und reichen mir die Hand. Wenn ich eines ergreife, ziehen sie andere nach sich. Das geht gar nicht anders. Mühsam ist es nicht. Vielmehr hat es mit Vertrauen zu tun und einer leichten Übermüdung, die mein Denken sediert. Sediertes Denken erzeugt Strudel, die wirbeln und dieses Wirbeln zieht den Klang nach sich.

Im Schreibhain – bei unseren Nachwuchsautoren – tue ich nichts lieber als deren Schreibprozesse zu beobachten. Jedes Mal aufs Neue bin ich erstaunt, wie unterschiedlich diese sind und wie sehr sie abhängen von ihrem Menschen.

Mein Schreiben ist mein engster Begleiter. Näher noch als mein Liebespartner, denn er schaut immer –  und damit meine ich immer – in die Täler und Abgründe meiner Gedanken und Gefühle. Auch in die, die ich selbst nicht sehen will. Wenn er gerade gut gelaunt ist, dieser Schreibkobold, dann schimmert er durchsichtig. Ein sanftes Licht geht von ihm aus, das mich tröstet. Er klopft mir auf die Schulter und er kocht mir Kakao. Eine gute Seele, die mich ermutigt, die mir sagt: „Denk nicht so viel darüber nach, was Du tust, tu es einfach.“ Dann liebe ich meinen Kobold, die Worte fließen und alles ist gut.

An anderen Tagen ist er roteingefärbt, wer weiß welcher Teufel ihn geritten hat. Er stampft und schimpft. Die Sätze werden kurz. Stakkato. Bis nichts mehr geht, nur noch Wut. Bleierne Wut schriebe ich dann, denn jetzt helfen mir Klischees. Mehr geht ja nicht an solchen Tagen. Das macht den Kobold noch unerträglicher. Wir können uns nur nicht aus dem Weg gehen. Er gehört zu mir. Ich hege zwar regelmäßig Mordabsichten, aber diese Bestrebungen sind aussichtslos und führen zu gar nichts. Ich kann ihn mir nicht vom Leibe schaffen, ohne mich selbst in größte Gefahr zu bringen. Ohne ihn existiere ich nicht, da kann ich es auch gleich bleiben lassen. Daher ertrage ich sein Geschrei und zerdeppere in regelmäßigen Abständen das gute Porzellan. Mein Kobold hält diesen Industriezweig am Leben. Wusstet Ihr das? Schreibkobolde beleben die Wirtschaft. Da sage nochmal einer wir Autoren trügen nichts zum Kapitalismus bei. Dass ich nicht lache. Allein die Unmengen an Schokolade, die wir dann vertilgen. Die Netflixgebühren, die wir zahlen, wenn wir schmollen. Die vielen anderen Bücher, die wir kaufen, wenn wir uns selbst zerfleischen.

Worüber wollte ich ursprünglich schreiben? Warum Schreiben mein Metier ist? Warum ich nicht anders kann? Es ist gleich Mitternacht und morgen betreue ich meine StudentInnen in der Autorenausbildung II. Sie arbeiten an ihren originären Romanstoffen. Ich werde sie befragen und heimlich beobachten. Ihre Strategien ausfindig machen. Dafür brauche ich ein Mindestmaß an Schlaf. Auch wenn Schlaf natürlich redlich überschätzt ist, insbesondere für Autoren. Deswegen könnte der Artikel auch heißen: Automatisches Schreiben und wo es Dich nachts hinführt, wenn die Geschichten lauern und dein Partner darauf hin fiebert endlich, endlich, an den PC zu dürfen, denn auf ihn warten andere Artikel und Spiele, die er spielen muss, während ich träume, von noch mehr Geschichten und Welten, die sich im Kopf stapeln bis es zu viele werden und sie herauspurzeln aus der Gedankenmaschinerie, weil der Kobold sie ausgespuckt hat.

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