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Die
Kleemannsche
Kolumne

KLEINER REISEFÜHRER FÜR LIEBENDE

für S.

Verglichen mit Paris oder Rom hat es Berlin noch immer recht schwer, sich als romantischen Ort par excellence zu präsentieren – aus mehreren Gründen zu unrecht, wie ich finde. Ganz im Gegenteil: Rom, Paris, Wien, das Klischee und der Film zeugen davon, sind allein Orte für die Glücklichen, die Gefühlsmodels oder aber die grenzenlos Verfallenen, und Venedig gar ist bekannt als Platz für die von der Liebe tödlich verwundeten.

In der eignen Bekanntschaft hat man so etwas eher selten und selbst muss man es auch nicht unbedingt erleben. Dergleichen endet allzu oft mit Tabletten und einer Zigarette im Bett. Wie angenehm, diskret und zuvorkommend bei allen Eventualitäten dagegen Berlin: es hat seine Lokalitäten für jedes Stadium der Gefühle, aber im Ganzen bleibt es überschaubar, eine Stadt als Chambre séparée, eine Bühne nicht für die klassischen Tragödien, eher für intime Kammerspiele.

 I. Das Kennenlernen

Das erste Mal sieht man sich in einem dieser neuen Läden rund um den Hackeschen Markt (man kann übrigens ziemlich sicher sein, dass es ein neuer Laden ist, weil sich fast nichts dort länger hält). Man wollte eigentlich nur ein wenig bummeln gehen, mehr schauen als kaufen, den freien Nachmittag nutzen. Nun, statt für Mami Geburtstagsgeschenke zu kaufen verliebt man sich eben. Letzte Woche war es die japanische Lampe, die einem das Herz höher schlagen ließ, diesmal die charmante Brünette mit der Stupsnase und den redseligen Augen.

Sie sollte italienisch mögen, denn annehmbar sind in dieser Gegend fast ausschließlich von Libanesen geführte Italiener, und außerdem kleinere Spaziergänge schätzen, denn wenn man sich stundenlang bei gutem Wein und kleiner Küche beim anderen Verloren hat ist es von Reiz, tief in der Nacht vom Hackeschen Markt zum Alexanderplatz zu schlendern, vor allem im Winter: die Luft ist klar und kalt und der Alex menschenleer. Dann nehme man sie fest in den Arm und flüstere ihr zärtlich ins Ohr: „Berlin hält den Atem an“. So beginnt es.

II. Stille Tage in Charlottenburg

Sodann ziehe man erst sich und dann gemeinsam aus und genieße das heitere, durch flirrende Zweiheit leichter gewordene Leben. Für solche Zwecke hat man in Berlin den Kurfürstendamm gebaut (ich vermute zumindest, dass es so war und kann es mir auch gar nicht anders denken) und als Diamant dieser Boulevard gewordenen Krone das Cinema Paris in der Maison de France eingesetzt. Das funkelt wirklich ganz wundervoll, hat Stil und Chic ebenso wie ermäßigte Preise, man geht da selten wegen eines Films hin, man will schon eher seine eigene Liebe ein bisschen filmisch zelebrieren. Hinterher dann ins Literaturhauscafé, um lange Abende beim Veltliner zu verschwärmen und sich in Extasen zu reden – Sie sehen, die Kolumne wird Autobiographie, die Prätention Melancholie.

Rund um den Savignyplatz schaffe man sich Erinnerungen, Geschichten, kaufe Sonnenbrillen und präge große Worte im Stile alter Meister. Das wird Ihre große Zeit gewesen sein, davon wird man lange zehren. Kosten Sie alles ganz aus, vom Paradies zum Stigma sind es oft bloß ein paar unbedachte Äußerungen. 

III. Die Tiefe der Gefühle

Der Drang zu wahrer Größe und die Sehnsucht nach den innigsten Gefühlen kann leider kaum Ausbleiben und die Zeit der Offenbarungen wird anbrechen. Immerzu wird man sich über sich aufklären wollen, nach Verständnis gieren und Absolution erhoffen. Man wird nicht enden können, die vermeintlich unermessliche Gefühlswelt auszuloten und nach Orten suchen, die das häusliche Kleinklein via Aura und Einbildung (wahrscheinlich dasselbe) mit ihrer unbestreitbaren Welthaltigkeit adeln. Für die ehrlichen Gespräche empfehle ich den Jüdischen Friedhof im Weissensee. Das hohe, grüne Blätterdach über den Alleen beschirmt die Entflammten und sowohl die Erhabenheit als auch die Tragik dieses Ortes bringen ihnen etwas in Gedanken zurück, dem sie auf ihrer Wolke rasch entschwebt waren: die Welt.

Für weitschweifigere Träumereien mag Onkel Toms Hütte dankbar sein. Die ins grüne verpflanzte Moderne Bruno Tauts lassen einem in buntesten Farben ausmalen, wie es sein würde, wann man sich ganz einander verspräche, Kinder hätte (oder zumindest einen Hund), ein Häuschen, ein Gärtchen und ein paar ruhige Jährchen. Früher hatten solcherlei Gedanken teils für Gelächtern, teils für Panik gesorgt – aber Hand in Hand mit ihr, da eilt das Herz dem Kopf voraus und dass alles einmal gut werden müsse scheint plötzlich gewiss.

 IV. Stürmische Zeiten

Die Tage werden wieder kürzer und das, was man sich zu sagen hat auch. Die Zeiten, da man alle Tage „Exultate Jubilate“ gehört hat sind vorüber, man entdeckt die Jazzbars. Wohlgemerkt Jazzbars und nicht Clubs, denn in letztere gehen ausschließlich Leute, die sich so benehmen wie Leute, die in Jazzclubs gehen, während man in Jazzbars noch rudimentäre Überbleibsel von Eleganz und Benimm ausmachen kann. Man sitzt also in der Oraniabar, ein Pianist spielt den „Septembersong“ und quasi en passant überkommt einen der unbändige Zwang, sich streiten zu müssen. Man kränkt sich, beleidigt auch die übrigen Gäste ein bisserl und stürzt hinaus in einen dramatischen Regen, rennt sich die dramatische Oranienstraße lang hinterher, macht sich dramatische Szenen im dramatischen Görlitzer Park (wobei einem das obligatorische „Gehts gut“ von Siewissenschonwem zur Weißglut bringt) und versöhnt sich, natürlich dramatisch, auf der Oberbaumbrücke, stürmisch im Schimmern des glänzenden Wassers küssend. 

V. Das Ende

Und dann macht man Schluss. Ich persönlich wurde schon zweimal im Café Feuerbach in Steglitz und einmal in der Brasserie am Ku´damm verlassen und kann gerade das Café Feuerbach wärmstens für solcherlei Anlässe empfehlen.

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