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Die Kleemannsche Kolumne

Endlich, endlich meldet sich unser Schreibhain-Kolumnist Hans Kleemann wieder mit VERMISCHTES zu Wort.

VERMISCHTES

Was mache ich eigentlich die ganze Zeit? Tja, das frage ich mich auch. Zum Beispiel betrauere ich meine Vermieterin und dadurch leider ebenso, o unersetzlicher Verlust, mein Zimmer am Lausitzer Platz. Alles ist endlich, insbesondere die möblierten Witwen.

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Arbeiten? Ja, warum nicht… In Gottes Namen: ich arbeite. Wo, was, wie, warum? Das werde ich Ihnen gerade erzählen! Am End ist der dichterische Nimbus endgültig beim Teufel (nestroyisch: Teixl), und da gehört er doch wirklich nicht hin.

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Apropos dichterischer Nimbus: natürlich schreibe ich. Ein tausendseitiges Opus magnus, übergetitelt „Der Untergang Kreuzbergs“. Nach intensiven Monaten der Muse und härtesten Arbeit sind immerhin schon drei (engbeschriebene!) Seiten ganz und gar fertig. Ihr Verlagswesen, ich lasse bitten.

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Infolge des angedeuteten Umzugs kam ich obendrein überraschend zu einer tieferen Einsicht: Von jeder großen Liebe bleibt einem ein Tisch oder ein kleiner psychischer Schaden. Das würde einiges erklären. Umzüge gestalten sich dadurch allerdings keineswegs einfacher.

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Wo wir gerade von Verlagswesen sprachen… Worüber ich mich beständig echauffieren könnte ist das abgeschmackte, geistfeindliche und törichte Wort vom „Show, don’t tell“. Das ist weit vor „Selber, selber, lachen alle Kälber“ der dümmste Satz der Welt. Zumindest wenn man auch bloß geringe Ansprüche an sich und sein Amüsement stellt. Es hieße sonst ja „Zeigekunst“ und keineswegs „Erzählkunst“ – und was Zeigekunst ist versteht Ihnen Dita von Teese besser zu erläutern, oder eben: zeigen. Der ganze Schwachsinn des unbedingten Zeigens erinnert an den Heiligen Thomas, der auch erst alles sehen musste um zu glauben. Oder an Leute mit Publikumsfragen.

Freilich, einen Nachteil hat das Erzählen: man muss es können.

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Ansonsten kaum Neues. Die üblichen, kleinen Beobachtungen, die meist im Notizbuch verloren gehen, so etwa der Unterschied zwischen mir und dem Rest der Welt (wenigstens einer): Ich gehe aus, wenn ich ein Konzert hören will, die Leute gehen in ein Konzert, wenn sie ausgehen wollen.

Daneben kleinere Erregungen, spontan nach Sicht aufgeschrieben: Stöbere in einem ansonsten frequentierbaren Antiquariat in einer Kiste mit der Aufschrift „Bester Lesestoff“ – und wer findet sich darin? Gerd Gaiser!

Wem sich diese  Ungeheuerlichkeit nicht erschließt, der möge googeln, oder, was Erwachsene in diesem Falle täten, nachschlagen.

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Ebenfalls wissenswert: Wirsing abkochen (nicht zu sehr). Abkühlen lassen, dann mit feingeschnittenen Zwiebeln anschwitzen. Mit Brühe ablöschen und mit Salz, Pfeffer sowie Sahne abschmecken. Köcheln lassen.

Mein nächstes Projekt: ein Familienepos, übergetitelt „Aus dem Leben eines Kochbuchs“.

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Doch an Plänen mangelt es ja nie. Als ich eine Fünfzehnjährige mit offenkundigen künstlerischen Absichten (schwarze Klamotten, Sonnenbrille zu allen Tageszeiten) fragte, womit sie sich denn derzeit beschäftige, da sagte sie vollkommen ironiefrei, mit einem Gesicht vollends bewusster Daseinsschwere: „Ich sammle Texte für meine Biographie“. Augenblicklich wurde mir wieder bewusst, warum ich es prinzipiell meide mit Leuten unter Dreißig zu sprechen.

Da ich allerdings selbst die Dreißig längst nicht erreicht habe, spukte mir das Thema Biographie weiterhin im Kopfe umher. Heraus kamen drei unvergleichlich prägnante Titel, die zu bewundern ich Ihnen bis zur nächsten Kolumne Gelegenheit biete:

  1. Nicht geschrieben, gut gegessen, spät zu Bett
  2. Von Tiefpunkt zu Tiefpunkt – Glanzlichter aus meinem Leben
  3. Habe leider Zeit – Begegnungen, die ich machte

Von uns genötigt, den Versuch einer kleinen Vita zu wagen, beschreibt Kleemann sich wie folgt.

Hans Kleemann, wurde 1995 in Dinkelsbühl geboren und zwar am selben Tag wie Hölderlin und der verrückte König Ludwig – es mag wohl daran liegen, dass er erst die Flucht und dann die Leier ergriff. Seitdem schreibt, dichtet und komponiert er in Berlin, was zwar einstweilen keiner lesen und hören mag, aber er tröstet sich unterdess:dank guter Gene und der Pharmaindustrie wird er im Zweifel auch seinen Nachruhm noch erleben. Fürchten wir das Beste.

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