Ein Artikel von Signe Ibbeken (Stipendiatin im Jahrgang IX)
Nassgeregnet – der erste Regentag seit Langem – Salat auf dem Gepäckträger und sehr sehr neugierig treffe ich kurz vor 11 Uhr in der schönen Lettrétage in Kreuzberg ein, um dem ersten Pitching meines Lebens beizuwohnen. Sechs Stunden und acht AutorInnen später bin ich erschöpft und zugleich beeindruckt. So viele unterschiedliche Projekte, so viele unterschiedliche Autor*innenpersönlichkeiten und so viele unterschiedliche Erzählwelten. Zum Beispiel ist da, witzig, hintergründig, Susanne-Marie Hüttner mit „Zwischentage“ – einem Text über eine junge Frau, die zwischen Selbstoptimierungswahn und Anpassungsdruck auf der Suche ist nach ihrem eigentlichen Selbst. Oder, gesellschaftskritisch, Juliane Wünsche mit ihrem Roman „National befreite Zone“, der in Sachsen im Jahr 1999 spielt und das Erstarken des Rechtspopulismus zum Thema hat. Oder, im Anschluss daran, nachdenklich, poetisch, Dagmar Spains Geschichte über eine Komponistin, die sich, angeregt durch musikalische Assoziationen, an die Fluchtgeschichte ihrer Familie aus Tschechien nach dem zweiten Weltkrieg erinnert sowie an ihren eigenen Weg als Künstlerin („Die erste Geige“). Dann, drastisch, skurril und in kraftvollen Bildern: Jörn Gerstenbergs „Geisterjäger Kowalski“, der in der DDR der 80er Jahre den Geistern der Nazizeit auflauert.
Oder, mit starker erogener Sogwirkung: Myriam Brotschis Erotikroman „Was würde die Liebe tun?“ – eine Geschichte über eine Liebe zu Dritt, über Eifersucht und Selbsterkenntnis und die Reinigung durch sexuelle Hingabe. Im Anschluss daran dann, zunehmend gruselig: „Mit dem Erinnern kommt der Tod“, ein Psychothriller von Annie Avena, in dem eine Gerichtsreporterin in die Gewalt eines Mannes aus ihrer Vergangenheit gerät (Achtung: Blauer Eisenhut, sehr zu empfehlen, wenn man Jemanden unauffällig beseitigen will). Dann, vampirisch: der Fantasyroman „Heaven & Hell“ von F. K. White, der von der Suche einer Halbvampirin nach ihrer Zwillingsschwester handelt (entdecke den Vampir in dir) und, zu guter Letzt, abgedreht und mit erfrischend sadistischer Note: die Geschichte eines Gourmetrestaurants, dessen Spezialität, die „Schwammerl“, von einer Starkolumnistin und einer Jungköchin aus Kindern gezüchtet werden (Johannes Frenzl: „Die Hungergärten“).
Nach so viel unterschiedlichen Ideen und dem tollen Mut, sie zu präsentieren – kraft- und humorvoll unterstützt durch Tanja Steinlechner und Nadine Kube und einem freundlich entspannten Publikum – wird erst mal gefeiert, bevor ich, inzwischen zum Glück getrocknet, wieder auf mein Fahrrad steige und nach Hause radele, gespannt aufs nächste Mal.